Im Jahr 1845 begannen die Planungen zur Strecken-führung zwischen Hagen und Siegen, die aber durch die politischen Ereignisse des Jahres 1848 erst 1853 konkreter wurden. Drei Streckenvarianten standen schließlich zur Wahl: entweder durch das Volme-Tal oder durch die Täler von Lenne und Bigge -wie von Harkort (1) vorgeschlagen- oder durch die Täler von Lenne und Hundem.
Die Volme-Line von Hagen Richtung Brügge und Meinerzhagen schied bald aus der Diskussion wegen ungünstiger topographischer Bedingungen. Die beiden anderen Varianten begannen in Hagen ihren Lauf entlang der Lenne bis nach Finnentrop. Von dort hätte die eine Variante durch das Biggetal über Olpe nach Kreuztal, die andere durch das obere Lennetal über Altenhundem/Littfeld nach Kreuztal geführt. In beiden Fällen zeigte sich die grundsätzliche Schwierigkeit der Streckenführung beim Eintritt in das Siegerland, denn das kölsche Heck und damit die Wasserscheide zwischen Ruhr und Sieg mußte überwunden werden. Das konnte nur in Form einer Gebirgsbahn mit langen, kräftigen Steigungen gelingen.
Wie stark die Interessen an der Linienführung auseinander lagen und dass sogar der Kreis Altenkirchen vehement für eine der Varianten focht, zeigt eine Entgegnung vom 16. Januar 1852 auf einen zuvor im Siegener Intelligenz-Blatt erschienen Artikel: „…ebenso protestiren dagegen nicht unansehnliche Theile des Kreises Siegen selbst, z. B. Stadt und Amt Freudenberg und werden alles aufbieten, die wenig nutzbare Eisenbahn an der Hundem mit einer anderen Richtung zu vertauschen, welche in technischer und jeder anderen Hinsicht die Hundem-Linie weit überragt, dem Kreise Siegen mehr nützlich und zugleich die Interessen des Kreises Altenkirchen, des Freien Grundes und des Amtes Freudenberg nicht unberührt lässt. Der Herr Verfasser mag sich dies für die Folge merken und nie vergessen, dass, so lange das Eisenbahn-Comite zu Siegen ausschließlich für die Hundem-Linie kämpft, der Kreis Altenkirchen niemals sein Bundesgenosse sein kann und wird.“
Ungeachtet der Linienführung veranschlagte das Siegener Kommittee Baukosten in Höhe von etwa 8.500.000 Talern. Die Jahreszinsen sollten sich bei einem Zinssatz von 4% auf 340.000 Taler belaufen. Die Betriebskosten wurden auf 328.350 Taler geschätzt, was etwa 55% der voraussichtlichen Einnahmen entsprach. Auf der Einnahmenseite standen nach der Berechnung 147.000 Taler aus dem Personenverkehr von 90.000 Reisenden bei 31/2 Silbergroschen pro Person und 450.000 Taler aus dem Frachttransport von 270.000 Zentner Gütern bei 5 Silbergroschen pro Zentner. Das Siegerländer Gewerbe garantierte auf 10 Jahre das jährliche Transportaufkommen an Gütern. Die Stadt Siegen zeichnete dabei 1000 Zentner, wobei Kritiker anmerkten, dass die Stadt gar keine Waren zu versenden habe. Die errechneten Gesamteinnahmen von 597.000 Talern wären aber nicht ausreichend zur Deckung der veranschlagten Kosten gewesen. Daher sollten laut Rentabilitäts-Kalkulation „Interessenten“ einen Jahresbeitrag von 71.350 Talern zusätzlich aufbringen (2). Selbstverständlich wurden umgehend Zweifel an der Seriosität dieser Zahlen laut, geäussert von Leuten, die ganz eigene Interessen verfolgten. Trotz aller noch bestehenden Querelen um Linienführung und Finanzierung entschied sich die preußische Regierung dann grundsätzlich dafür, das Bahnprojekt voranzutreiben, vor allem, weil damals zwischen Rhein und Weser keine weitere Nord-Süd-Verbindung bestand. Eine solche wurde aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch wegen militärischer Aspekte für notwendig erachtet, insbesondere im Zusammenhang mit den Planungen für die Bahnlinie von Köln über Betzdorf nach Giessen, wo Anschluß an die Main-Weser-Bahn gewonnen würde.
Die kürzere und kostengünstigere Strecke von Hagen nach Siegen führt über Altenhunden und die Rahrbacher Höhe. Deshalb entschied man sich 1855 letztlich für die Lenne-Hundem-Linie und gegen die Interessen der Geschäftsleute aus Olpe, Freudenberg und Altenkirchen, die sich selbstredend für die Bigge-Line stark gemacht hatten. Die Grunderwerbskosten sollten von denen getragen werden, die vom Bahnbau profitierten, also den Gewerbetreibenden und den Gemeinden aller Kreise entlang der Strecke. Von den notwendigen gut 200.000 Talern wurden lediglich 40.000 Taler gezeichnet. Es fehlten somit 160.000 Taler, die überraschend die Kohle-Zechen im Raum Dortmund übernahmen. Die Baukosten wurden jetzt mit 12.250.000 Talern beziffert. Dieser Betrag wurde per Schuldverschreibungen aufgebracht, garantiert verzinst zu 3 ½ %. Der Staat übernahm 3 ¼ %, so dass die BME lediglich ¼ % Zinsen garantieren musste. Die Städte und Kreise wurden verpflichtet, die Grundentschädigungskosten in Höhe von 430.000 Thalern zu übernehmen.
Alles Weitere ging dann, trotz zweijähriger Verzögerung beim Bau wegen finanzieller Engpässe, aussergewöhnlich schnell. Die Königliche Eisenbahndirection in Elberfeld / Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (BME) reichte im Mai 1856 die Baupläne für die 106,02 Kilometer lange Bahnlinie ein. Die Konzession wurde am 13. Oktober 1856 erteilt (Preußische Gesetzsammlung, Jahrgang 1856, Nummer 54) und der Bau der Strecke am 17. April 1857 genehmigt. Die gesamte Ruhr-Sieg Strecke wurde in folgenden Abschnitten zunächst eingleisig eröffnet:
Folgende größere Brücken wurden gebaut:
Zwischen Altenhundem und Kreuztal entstanden Neigungen von bis zu 1:72. Trotzdem wurde zwischen Sauerland und Siegerland ein Tunnel von 696 Metern Länge notwendig, der Rahrbacher Tunnel, in welchem auch der Scheitelpunkt der Rampen von Altenhundem und Kreuztal liegt. Der Tunnelbau begann Anfang 1858, der Durchstich erfolgte am 11. Juni 1859. Ausserdem mußten –vor allem zwischen Letmathe und Werdohl- weitere Tunnel gebaut werden. Hier sind alle 11 Tunnel samt Lage an der Strecke und Länge angegeben (3):
Folgende Bahnhöfe und Haltestellen befanden sich 1861 an der Ruhr-Sieg Strecke, von denen die vier letztgenannten im Siegerland gelegen sind:
Wasserstationen gab es in
Die Wasserstationsgebäude (Wassertürme) wurden in der Nähe der Kräne errichtet. Das Wasser der Stationen in Letmathe, Altena, Alten-hundem und Siegen wurde aus Brunnen oder Bächen mit Dampfpumpen in die Behälter gepumpt, an den übrigen Stationen aber waren Hand-pumpen installiert, die von mindestens drei Arbeitern mit Muskelkraft bedient werden mußten.
Betriebswerkstätten mit Lokomotiv-schuppen gab es auf Sauerländer Seite in Hagen, Letmathe, Altena und Alten-hundem sowie auf Siegerländer Gebiet in Creuztal und Siegen. Diese wurden mit Drehscheiben von 38 Fuß Durchmesser ausgerüstet, ausgenommen Letmathe und Creuzthal, wo kleinere Drehscheiben von 18 Fuß Durchmesser eingebaut wurden. Schiebebühnen zum Versetzen von Lokomotiven und Wagen gab es am Empfangsgebäude in Hagen (38 Fuß Länge) und in der Werkstätte zu Siegen (18 Fuß Länge) Alle Betriebswerkstätten mit Ausnahme der in Hagen gehörten dem Betriebsamt Altena an.
An rollendem Material beschaffte die BME für die Ruhr-Sieg Strecke anfangs 11 Personenzuglokomotiven, 12 Güterzuglokomotiven und 2 Güterzugtenderlokomotiven, hinzu kamen 32 Personenwagen, 9 Ge-päckwagen, 10 Viehwagen und 457 Güterwagen.
Der erste Fahrplan der Ruhr-Sieg Eisenbahn der BME weist nur wenige Zugverbindungen auf. Da die Strecke primär für den Gütertransport ge-baut wurde, war die Personenverkehr nur ein "Zubrot". Immerhin war es nun möglich, in lediglich 3 Stunden und 20 Minuten vergleichsweise bequem von Siegen nach Hagen zu reisen.
Literatur: