Verkehrsinfarkt und Verkehrspolitik
Seit vielen Jahren sind die Probleme bekannt, die der Automobilverkehr aufwirft. Die Reaktionen der Behörden auf die steigende Zahl der Autos sind bekannt: Strassen werden neu- oder ausgebaut und produzieren sofort neue Verkehrs-ströme, die zuletzt aus Platz- und Geldmangel kaum mehr bewältigt werden können. Sehr ernst zu nehmen -und nicht in Zahlen zu messen- sind die nachteiligen Folgen durch die Asphaltierung der Städte für die Lebensqualität der Bewohner von Ballungszentren. Daß eine Neuorientierung der Verkehrspolitik notwendig ist, haben zahlreiche Kommunen auch in Deutschland erkannt. Seltsamerweise wurden neue Verkehrs-Konzepte nicht von Großstädten wie Berlin oder Hamburg mit ihren immensen Verkehrsproblemen, sondern von Städten mittlerer Größe wie Karlsruhe und Freiburg entwickelt und mit Erfolg in die Tat umgesetzt. Erst nach den guten Karlsruher Erfahrungen erwägen nun auch andere Regionen, meist unterstützt durch engagierte Bürger, eine Änderung ihrer Verkehrspolitik. In der Stadt Siegen bestehen durch die landschaftlichen Gegebenheiten seit je schwierige Verkehrsverhältnisse. Viele Siegener können sich sehr gut an Zeiten erinnern, da lange Güterzüge der Eisern-Siegener-Eisenbahn (ESE) die Frankfurter und Koblenzer Strasse zeitweise blockierten. Viel geändert hat sich heute allerdings nicht, denn nun verstopfen Lastkraftwagen, die die Transportaufgaben der Bahn übernommen haben, zusammen mit unzähligen PKW’s nicht nur in der Hauptverkehrszeit die Strassen der Innenstadt. Es scheint, als sollte die Hüttentalstrasse hier nur bedingt Entlastung bringen, da es sich bei den LKW-Fahrten hauptsächlich um Werksverkehr und nicht um Durchgangverkehr handelt. Dieser Werksverkehr läßt sich jedoch im Interesse der heimischen Wirtschaft kaum vermeiden und es soll hier keinesfalls für die Rückkehr der Güterbahn geworben werden. Vielmehr soll darüber nachgedacht werden, wie sich der Strom der Privatautos vermindern läßt.
Öffentlicher Personenverkehr heute
Der Raum Siegen ist erfreulicherweise durch zahlreiche Buslinien gut erschlossen und ein Teil der Bevölkerung nutzt diesen Service gern. Leider teilt sich der Busverkehr im Allgemeinen die normalen Fahrspuren mit anderen Autos und bleibt genauso wie diese im täglichen Stau stecken. Damit wird der Bus unattraktiv. Busspuren werden in vielen Städten eingerichtet - und von manchen Stadtvätern, aus welchen Gründen auch immer, wieder eingeschränkt oder abgeschafft. Schlechtes Vorbild hierfür ist Berlin: Manchmal hat der Bürger den Eindruck als gäbe es in der neuen/alten Hauptstadt kein dringenderes Problem für den Senat als die Abschaffung der Busspur auf dem Kurfürstendamm. Vielleicht zeigt die zähe Diskussion aber auch den hohen Stellenwert, der inzwischen dem öffentlichen Personen-Verkehr wieder zugemessen wird. Im Jahre 1967 hat die Berliner Verkehr Gesellschaft (BVG) die Strassenbahn im Westteil der Stadt stillgelegt. Kürzlich hat sie jedoch durch den Zusammenschluß mit der Ostberliner BVB das östliche Strassenbahnnetz geerbt. Durch die oben erwähnten Aktivitäten und Erfolge der Betriebe in Karlsruhe und Freiburg oder auch Braunschweig ermutigt, denkt die BVG derzeit nicht daran, die Ost-Strassenbahn zum alten Eisen zu werfen, sondern plant vielmehr die Modernisierung und sogar die Erweitungen der Strecken in die westliche Hälfte Berlins hinein. Die Einstellung der West-Strassenbahn wird auch von der BVG inzwischen als Fehler bezeichnet, und es ist sicher kein Zeichen der Schwäche, diese Fehlentwicklung nun korrigieren zu wollen! Die altbekannte, über Strassen rumpelnde Bahn soll allerdings zu einer modernen Stadtbahn entwickelt werden, die weitgehend über eine eigene Trasse verfügt. Das großzügig angelegte Berliner Strassennetz läßt es häufig ohne Weiteres zu, ein Gleispaar mittig, getrennt von den Autofahrspuren zu installieren. Für Siegen läßt sich dies füglich bezweifeln. Und dennoch soll hier eine Anregung gegeben werden, wie die Strassenbahn als Stadt- oder Schnellbahn im Raum Siegen wieder ihren Platz einnehmen kann.
Strassenbahn einst! Stadtbahn für die Zukunft?
Bis zum Ende der fünfziger Jahre bestanden im Siegerland Strassenbahnlinien vom Bahnhof Siegen aus in Richtung Kreuztal, nach Kaan-Marienborn und Eisern. Vor dem ersten Weltkrieg gab es sogar eine LInie durch die Oberstadt, die jedoch sehr schnell wieder stillgelegt wurde, da kein Bedarf für eine solche Strecke bestand. Die anderen Linien hatten aber gewiß ihre Berechtigung und sind erst einem allgemeinen Trend folgend auf Grund des steigenden Individualverkehrs aufgegeben worden. Dabei sei keineswegs übersehen, das auch betriebliche Besonderheiten wie die eingleisige Streckenführung entlang einer Strassenseite letztlich zu gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer wurden. Wenn es aber möglich ist, unter den schwierigen topographischen Verhältnissen in Siegen solche Betriebsmängel zu vermeiden und zudem eine Trassenführung zu finden, die den Strassenverkehr nicht zu sehr einschränkt, wäre die Stadtbahn auch für Siegen und Umgebung ein großer Gewinn.
Denkbar ist als erster Schritt unter Einbeziehung der Deutschen Bundesbahn (DB) eine Strecke vom Bahnhof in Siegen nach Deuz und Werthenbach. Stadtbahnzüge könnten über die DB-Strecke von Siegen nach Weidenau und dann über die Gleise der ehemaligen Kleinbahn Weidenau-Deuz (KWD) rollen. Bis auf die Fahrleitung im Bereich der KWD sind sämtliche Anlagen vorhanden! Die Stadtbahn kann den Anschluß an die in Weidenau ankommenden InterRegio Züge der DB herstellen, so daß sich der Betriebsaufwand für die DB verringert. Von Weidenau aus sollte die Stadtbahn auf einem weiteren Streckenast Kreuztal bedienen. Dies ist ohne Strassenbenutzung nicht möglich. Bedenkt man aber, wieviel Raum inzwischen für den Strassenverkehr durch die Hüttentalstrasse zur Verfügung steht, so sollte genügend Platz in der Mitte der Bundesstrasse für zumindest für ein Bahngleis reserviert werden können. Dabei könnte sogar wie in Braunschweig ein Gleis in einem Rasenstreifen verlegt werden. Vom Bahnhof Siegen aus sei weiterhin eine Verbindung nach Eiserfeld empfohlen, die bis zum Bahnhof Eintracht den Anschluß der ESE benutzt und dann an der Sieg entlang bis Eiserfeld Ortsmitte geführt werden kann. In der Rinsenau könnte in Ergänzung zur VWS-Bushalle ein Depot für die Bahnfahrzeuge angelegt werden. Ab Eiserfeld könnte die Bahn der alten Linienführung folgend Eisern erreichen-hier gab es bereits früher auf Teilstücken ein eigenes Gleisbett. Vorstellbar ist auch die Erweiterung zu einer Ringlinie, die über Wilnsdorf-Dielfen-Kaan nach Siegen zurückführt. Diese Linie könnte zu einem Teil wiederum DB-Gleise benutzen, zumindest ab Kaan durch den Giersbergtunnel nach Siegen-Bahnhof.
Der Raum für zusätzliche Strassenanlagen kann gerade in Siegen nicht beliebig vermehrt werden und man hat sehr oft den Eindruck, daß des Guten schon zuviel getan wurde. Wer heute zum Beispiel die Koblenzer Strasse in Höhe der Siegerlandhalle und die Autoschlangen darauf betrachtet, erfährt eindrücklich, was mit eingeschränkter Lebensqualität der dort lebenden Bürger und auch der festsitzenden Autofahrer gemeint ist. Hier wird unnötig Lärm und Schmutz produziert und Zeit verschwendet. Das muß auch die Siegener Stadtväter bewegen, nach buchstäblich anderen Wegen als den bislang üblichen zu suchen. Für die Verwirklichung eines Vorhabens, wie es hier dargelegt ist, stehen EG-Gelder zur Verfügung, Buslinien können eingestellt (!) und Gelder für den Strassen- und Parkplatzbau eingespart werden. Deshalb ist die Anregung zur (Wieder-) Einführung der Stadtbahn in Siegen auch in finanzieller Hinsicht so utopisch nicht, wie sie sich zugegebenermaßen auf den ersten Blick liest. Ein genaueres Abwägen des Vorschlags durch die Stadt Siegen und den Kreis aber könnte lohnen und zu einer besseren und attraktiven Verkehrstruktur in Zukunft führen!